Master Projekt "Closing the Circle. About Food and Space(s)"
mit integriertem Seminar
Critical Curating.
About Architectural Knowledge Production and Exhibitions
Team
Prof. Dr. Andres Lepik, Dr. Andjelka Badnjar, Stefan Pielmeier
Studierende
Anna D'Ambrosio, Teodor-Andrei Cazan, Natalie Judkowsky, Jan Müller, Alice Ianakiev, Betina Albrecht, Laura Madinger, Federico Di Dio, Magdalena Weinzierl, Sebastian Zitzmann, Stefan Pielmeir sowie die Doktorandin Natália Correia Brandão
Studierendenanzahl
24 Masterprojekt
30 Seminar (Um ein Motivationsschreiben für externe Teilnehmende, die nicht im Masterprojekt sind, wird bis zum 16. Oktober gebeten; dieses bitte an badnjar(at)architekturmuseum.de senden)
Credits & Tage
15 Credits ECTS Master (12+3)
Dauer 2 Wochenstunden Seminar, 6 Wochenstunden Studio
Studio Mittwoch 11:30-17:30, Raum wird noch bekannt gegeben
Seminar Donnerstag 09:45-11:15 im Seminarraum 0340B
Gruppenarbeit
Zweiergruppen möglich
Sprachen
Englisch & Deutsch
Reviews
Review I 06. November
Review II 18. Dezember
Final Review 5. Februar
Anmeldung
Bitte sende uns die Anmeldung bis zum 16. Oktober an: badnjar(at)architekturmuseum.de
Zeitplan
Download Zeitplan (verfügbar ab 07. Okt.)
Einführung
Lebensmittel und Raum sind sowohl kulturell als auch politisch sowie ökologisch untrennbar miteinander verbunden. In der römischen Antike stand der „mundus“ für eine Öffnung in der Stadt, einem Ort, an dem den Göttern Opfergaben dargebracht wurden. Er war essenzieller Teil des Hauptplatzes und das Erste, was nach einer Stadtgründung angelegt wurde. Heute stehen jedem Menschen umgerechnet etwa 2 m2 der Erdoberfläche zur Verfügung, um sich zu ernähren, mit einer abnehmenden Tendenz auf angestrebte 1,5 m2 im Jahr 2050. Es ist bekannt, dass die Anbauflächen aufgrund der Auswirkungen auf das Klima und die Biodiversität nicht weiter steigen sollten, dass der Fleischkonsum zugunsten von pflanzlichen Proteinen zurückgehen muss und dass wir die Lebensmittelverschwendung verringen sollten, denn nach Angaben der UNO landen 17% der Lebensmittel im Müll.
Bei der Suche nach Lösungen stehen auf der einen Seite vertikale Farmen und technologische Versprechen, die vor allem für kleine, wohlhabende und relativ autarke Staaten wie die Niederlande, Israel oder Singapur geeignet sind. Solche Farmen helfen den Städten bei der Adaption an den Klimawandel, bei der Reduzierung der Hitze, aber sie sind noch weit davon entfernt, als Antwort auf die Frage der Ernährungssicherheit zu fungieren. Auf der anderen Seite wird die Bewahrung des indigenen Wissens über die Nahrungsmittelproduktion nicht nur „Hippie-Wissenschaftler:innen“ zugeschrieben, sondern auch zum Gegenstand ernsthafter Forschung, wie am Beispiel des groß angelegten indigen Bewässerungssystems der Zenúkanäle in Kolumbien, das im 16. Jahrhundert von Spanien zerstört wurde und nun revitalisiert werden soll.
Die Verdrängung der Lebensmittelproduktion aus den Städten sowie deren Blick ist ein historischer Trend seit der „Grünen Revolution“ Mitte des 20. Jahrhunderts, die auf Hybridsaatgut, Mechanisierung, Düngern und Pestiziden basierte, um Nahrungsmittel für die Massen zu produzieren, gefolgt von einer Bodenverarmung sowie dem Ausstoß von Treibhausgasen. In diesem System der globalen Nahrungsmittelproduktion und der demografischen Nachfrage nach Lebensmitteln befindet sich die Argumentation für Städte als Orte der Lebensmittelproduktion in einer Nische. Jedoch müssen die Städte mit ihrer steigenden Bevölkerung ein kritisches Bewusstsein für seltene Szenarien, die noch funktionieren, schaffen – wir brauchen alle verfügbaren Mittel nach bestem Bemühen: Intensivierung des Getreideanbaus mit umgebender Natur, kürzere Lebensmittelwege, eine gerechtere politische Grundlage sowie eine neue Esskultur. Das bedeutet die Stärkung der Vielfalt in vielen Dimensionen durch Biodiversität, technologische, chemische, biologische und geographische Vielfalt, indigene Landwirtschaft und schließlich durch soziale Vielfalt sowie kulturelle Gewohnheiten.
Lebensmittel waren schon immer mit Architektur verbunden: von historischen Märkten als öffentliche Orte par excellence hin zu zeitgenössischen Räumen der Lebensmittelproduktion, die eher Gebäude als Ozeane oder Böden für die Haltung oder den Anbau von Garnelen, Kühen oder Tomaten okkupieren. Von ikonischen und anonymen Küchen, die verschiedene Formen der Häuslichkeit unter dem Einfluss der Moderne und der Geschlechterpolitik hervorgebracht haben hin zu öffentlich unsichtbaren Fabriken, Verarbeitungsstätten und Logistikzentren, die im Spanischen Pavillon der Venediger Biennale 2023 als ein Geschöpf für sich gezeigt wurden – als ein komplexes System von „Foodscaspes“. Straßen stellen durch die Geschichte von Lebensmittelprotesten und -kriegen wie der Tunesischen Jasminrevolution, den Opiumkriegen oder aktuelle Bewegungen wie der „La Via Campesina“ oder der „Black Panther Party“ in den 1960er Jahren einen Bezug zu Lebensmitteln her. Ebenso wie urbane Großereignisse wie das Münchner Oktoberfest oder die Olympischen Spiele, die immer wieder die Frage der Lebensmittelverschwendung aufwerfen. Architekturen der Verdrängung erscheinen nach der Einrichtung von Nahrungsmittelhilfen wie dem Bau der großen Piers vor Gaza oder Haiti durch das US-amerikanische Militär oder dem Aktivismus der „World Central Kitchen“. Saatgutbanken werden tief im Norden, jenseits des Polarkreises unterirdisch angelegt, der Regenwald und die Siedlungen des Amazonas werden zerstört und in Ackerland umgewandelt, um Soja nach Europa, China oder Indien zu exportieren. Dass die Schiffe der Sojaproduktion und des Transportes direkt mit den Regalen der Supermärkte und unseren Esstischen verbunden sind, ist ein gemeinsamer Punkt – sie dienen entweder der Produktion von Tierfutter und damit der Erhöhung der Fleischproduktion oder der veganen Bewegung in den westlichen Ländern. Auch die Lebensmittel selbst enthalten, bei genauer Betrachtung, räumliche Formen, Farben und Texturen. Die physiologische und räumliche Beschaffenheit unseres Mageninneren unterliegt im Laufe der Zeit Veränderungen, abhängig von der Geographie und dem, was wir essen.
Ausgehend von unserer direkten Umgebung werden wir uns in diesem Kurs fragen, wie München lokal und global mit Lebensmitteln zusammenhängt. Was können wir lernen, wenn wir die Lebensmittel, von unseren Körpern beginnend hin zur Stadt und der räumlichen Lebensmittelketten nachverfolgen? In welcher Relation steht unsere Nahrung zu Räumen, Materialien, zur Bauindustrie, architektonischen Typologien und zu Veränderungen in Stadtteilen? Was können uns diese Parallelen über die Umwelt, die Politik und den Kolonialismus erzählen? Was können wir lernen, wenn wir die heute problematischsten oder vielversprechendsten Lebensmittel (Fleisch, Soja, Palmöl, tropische Waren, Aquakulturen, etc.) mit ihrer räumlichen Geschichte in Verbindung setzen? Was haben Begriffe wie der Nettoimport von Land, Agrarökologie, Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelsouveränität, Lebensmittelutopien, Lebensmittelaktivismus, Vollwertkost, ethischer Einkauf, Zertifizierung, Lebensmittelwüsten, landwirtschaftliche Arbeiter:innen, Saisonkräfte, Lebensmittelmeilen, Biotechnologien, Armutsquote oder der Transport mit bestimmten Lebensmitteln sowie Räumen in München zu tun?
Nach dem Beantworten dieser Fragen, werden wir diese Beziehungen zwischen den Lebensmitteln und Räumen durch Zeichnungen, quantifizierte Statistiken, Materialuntersuchungen und kritische Aussagen, die auf der Analyse der Orte, einem Verständnis der Stadt und dem Austausch mit Industrie- oder Handelspartnern beruhen, beleuchten.
Da dieses Projekt Teil des kuratorischen Programmes des Architekturmuseums ist und als Vorbereitung für eine künftige Ausstellung dient, werden die Ergebnisse in drei Phasen erarbeitet: Recherche, Entwurf von Exponaten und dem Entwurf eines Teils des Ausstellungsraumes. Um den Prozess eines Ausstellungsformates zu unterstützen und zu verstehen, werden die Studierenden gebeten, das integrierte Seminar „Critical Curating. About Architectural Knowledge Production and Exhibitions“, welches verpflichtender Teil des Masterprojektes ist, zu besuchen.
Referenzen:
Carolyn Steel, Hungry City, 2008
Das Grosse Fressen, WWF Deutschland, 2015
The Zenú channels in Colombia, https://doi.org/10.21676/23897864.4052
Raj Patel, Politics of Food, 2019
Foodscapes, The Spanish Pavilion, Venice Biennale 2023
Agricultural Policies in Debate, Jorge Sellare, Jan Börner, 2022
Prozess und Ergebnisse
Im Laufe des Semesters werden die Studierenden im Rahmen des Masterprojektes mit dem Lehrstuhlteam und weiteren Gästen an drei Phasen der Fusion von Recherche und Entwurf arbeiten.
1. Recherche — Erarbeitung kritischer Vorschläge
Die Recherche ist ein fundamentaler Aspekt des Masterprojektes und wird sie durch alle Phasen hindurchziehen. In der ersten Phase werden wir Folgendes entwickeln:
+ Dokumentation eines Essensjournals – persönliche Ernährungsgewohnheiten und deren Relation zu den Räumen der Stadt, der CO2-Produktion sowie der globalen Zusammenhänge
+ Recherche in München nach Räumen und Lebensmitteln (eine Liste mit möglichen Themen wird bereitgestellt, andere Vorschläge sind gerne willkommen)
+ Spezifizieren von Paaren von Lebensmitteln und Räumen wie Parallelen zwischen dem Bauwesen, der Stadtplanung, der Infrastruktur, Gebäuden, Materialien und Lebensmittelketten.
Darstellung der Paare von Lebensmitteln und Räumen als kritische Reflektion der Zirkularität der politischen, kolonialen, oder ökologischen Aspekte, des sozialen Bewusstseins und der Propaganda, die die Lebensmittel in verschiedenen Räumen begleitet
Methoden:
Kontakte zu Industrie- und konsumorientierten Handelspartnern
Statistische Erhebungen wie CO2-Messungen, Messungen von Flächen für die Lebensmittelproduktion, Wasserverbrauch oder Importentfernung
Feldforschung in der Stadt
Interdisziplinäre Studie – Notwendigkeit von agronomischen Grundlagen zur Beschreibung von Lebensmittelkreisläufen
Aufgabe 1 Recherche
Essay in Form einer Zeichnung und eines statistisch-räumlichen Diagrammes (möglich sind Zahlen, Klassifizierung von Räumen, Isometrien, Darstellung von Kreisen, Ideogramme, Erzählungen sowie Texte)
2. Recherche — Ausstellung
In der zweiten Phase integrieren die Studierenden die gezeichneten Essays in Vorschläge für Exponate – eine Materialinstallation oder ein Modell, das sich auf die Materialität eines recherchierten Cases bezieht.
Aufgabe 2 Ausstellung
Prototyp einer Materialinstallation oder Modell (je nach Aufgabe), das den zeichnerischen Essay integriert
3. Recherche — Ausstellung— Ausstellungsraum
In der abschließenden Phase wird ein Entwurfsvorschlag für die Positionierung aller Cases im Architekturmuseum erarbeitet, der in einer Art Auditorium/eines Kreises integriert sein sollte. Die Themen der Studierenden dienen als Entwurf für das öffentliche Begleitprogramm der Ausstellung (Munich Food Atlas)
Aufgabe 3 Ausstellungsraum
Auditorium/Kreis
Zeichnungen, 2-3 Visualisierungen und Modell ODER Ausstellungs-Mock-Up (wird im Laufe des Prozesses mit den Studierenden vereinbart)
Studioformate
Wir werden folgende pädagogische Formate des Austausches nutzen, um die Diskussion in verschiedenen Formaten, von Einzelgesprächen zu kollektiven Unterhaltungen, zu fördern.
Tischkritiken: 20 min — 30 min pro Team.
Gruppenkritiken: Rundgang durch die Präsentationen und gemeinsame Diskussion; die Studierenden präsentieren mit dem Storybaord (Notizbuch), das mit der Zeit erarbeitet wird.
Online-Austausch: 1,5 h Format bestehend aus: 30 min Gastvortrag, 15 min Q&A, 30 min moderierter Überblick der Studierendenprojekte mit folgendem Feedback.
Exkursionen in München
Reviews
gemeinsames Essen
Zusammenarbeit & Gäste
Dr. Martin Kussmann, Leiter Ernährungswissen & Innovation (EWI), KErn Kompetenzzentrum für Ernährung
(Competence Center for Nutrition) The Bavarian State Ministry of Food, Agriculture and Forestry
Prof. Dr. Victor Muñoz Sanz, TU Delft
Andre Tavares, architect, curator and writer (Dafne Editora)
Matthias Faul, Urban Design TUM
Juan Benavides, architect and filmmaker (The Berlage)
Dr. José Luis Vicente-Vicente, The Leibniz Centre for Agricultural Landscape Research (ZALF), Spanish National Reserch Council
Ko Nakamura, Keigo Kobayashi, Mamiko Miyahara, “Architecture Surrounding Food” a+u Architecture and Urbanism Magazine editors
Prof. Dr. Georg Vrachliotis, TU Delft
Exkursionen in/Nähe München — eine Serie von Ortsbesuchen (Änderungen sind möglich)
Honest Catch München
Viktualienmarkt
Munich Community Kitchen
Großmarkthalle München
Museum Brot und Kunst Ulm
HfG Archiv Ulm
Open Studio Format
Wir laden alle Interessierten ein, sich bei uns Studiodiskussionen anzuschließen und verfolgen die Prinzipen der Inklusion, der Zusammenarbeit und der kritischen Diskussion
Für Anfragen wenden Sie sich sehr gerne an: badnjar@architekturmuseum.de