M.A. Seminar: Hybride Denkmäler des Wiederaufbaus
Hybride Denkmäler
Infolge der großflächigen Zerstörungen deutscher Städte im II. Weltkrieg erlitt auch die Mehrzahl der historischen Baudenkmäler schwere Schäden. Insbesondere die Dachwerke und Innenräume wurden weitgehend vernichtet; häufig blieben nur die ausgebrannten Außenmauern als Ruinen bestehen.
Auftakt und wesentlichen Schritt für den Wiederaufbau von Baudenkmälern stellten die neuen Dachwerke dar, die nach ersten Sicherungen über der kriegszerstörten Substanz errichtet wurden. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Materialknappheit und dem drohendem weiterem Verfall wurden moderne, schnell herstellbare und materialsparende Konstruktionen umgesetzt, die je nach Bauaufgabe, gewähltem System und Verfügbarkeit der Baustoffe in Holz, Stahl oder Beton ausgeführt sein können. Während bei Sakralbauten die der neuen Überdachung folgenden Wiederherstellungsarbeiten der Innenräume oft nach historischem Vorbild erfolgten, wurden profane Großbauten im Inneren nur selten originalgetreu rekonstruiert. Stattdessen bestimmten geänderte Nutzungserfordernisse, die Verwendung neuer Bautechniken und Materialien sowie der Zeitgeschmack die Umsetzung; gesetzt war nur die stadtbildprägende Fassade. Zudem wurden zahlreiche Großbauten des 19. Jahrhunderts gegenüber dem älteren Bauerbe häufig als nachrangig eingestuft und der Verlust der Innenräume sogar als Chance gesehen, hinter den erhaltenen Außenmauern gänzlich neue Nutzungen in modernen Formen zu realisieren.
In beiden Fällen ist heute ein wesentlicher Anteil des Denkmals ein Werk der Nachkriegszeit. Die Bauten präsentieren sich somit als hybride Denkmäler, die in sich, über den Begriff der Substanz hinaus, Altes und Neues in unterschiedlichsten Zusammenstellungen bergen und gerade dadurch wichtige zeitgeschichtliche und bauhistorische Zeugnisse darstellen. In der Rezeption der Bauten findet diese Zeitschicht jedoch nach wie vor kaum Beachtung: Obwohl nahezu alle innerstädtischen Baudenkmäler Münchens Dächer aus der Wiederaufbauzeit besitzen, sind die vielfältigen Konstruktionen – im Gegensatz zu ihren abgegangenen Vorgängern – kaum bekannt und nicht dokumentiert. Ebenso sind bislang die „verborgenen“ Wiederaufbau- und Reparaturmaßnahmen im Inneren der großen stadtbildprägenden Bauten, von denen vielfach kaum mehr als die Fassaden erhalten geblieben waren, in der Wahrnehmung kaum präsent. So werden Leo von Klenzes Münchner Bauten zumeist als ein genuin klassizistisches Bauerbe betrachtet, obwohl ausnahmlos alle Innenräume dieses Werkensembles im Krieg zerstört wurden. Die für die Bewertung des Denkmals wesentlichen Veränderungen beim Wiederaufbau wurden bisher nur in Einzelfällen berücksichtigt; selbst Vollrekonstruktionen sind in toto als „Klenzebau“ gelistet.
Zielsetzung & Arbeitsweise
Das Seminar „Hybride Denkmäler“ beschäftigt sich daher mit einer erstmaligen Erfassung und Dokumentation dieser Bauten in München. Durch Bauforschung am Objekt können Befunde zum Wiederaufbau erhoben und mit dem meist guten Forschungsstand zum Ursprungsbau sowie der archivalischen Überlieferung kontextualisiert werden. Fragestellungen wie der tatsächliche Zerstörungszustand nach dem Krieg, bautechnische Notwendigkeiten des Wiederaufbaus oder architektonische und denkmal-pflegerische Strömungen der Nachkriegszeit sollen in der Zusammenschau ein präzises und differenziertes Bild des überlieferten Bauwerks ergeben und so Grundlage für die zukünftige Bewertung und Erhalt dieser hybriden Denkmäler liefern.
Die relevanten Bereiche der Objekte werden über unterschiedliche moderne Dokumentationsmethoden der Bauforschung präzise erfasst. Zudem wird Archivmaterial und Sekundärliteratur erschlossen und mit den Erkenntnissen vor Ort abgeglichen. Die Zusammenfassung der Ergebnisse erfolgt in Form von grafischen und textlichen Dokumentationsberichten.
Vortragende/r (Mitwirkende/r) | |
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Art | Seminar |
Umfang | 4 SWS |
Semester | Sommersemester 2021 |
Unterrichtssprache | Deutsch |
Stellung in Studienplänen | Siehe TUMonline |
Termine | Siehe TUMonline |