Bahnhöfe, Flughäfen, Fährterminals, Wartehallen, Haltestellen, Raststätten, Tankstellen, Parkhäuser, Brücken, Tunnel, Schleusen, Kanäle, Autobahnen, U-Bahnen, Seilbahnen, Schwebebahnen, Gangways, Fahrstühle, Rolltreppen und andere Gerätschaften des Transits potenzierten im letzten Jahrhundert die Möglichkeiten, jeden Ort hinter sich zu lassen. Sie sind damit Manifeste einer ephemeren Moderne, die immer an der Schwelle zum Kommenden stand.
Unsere Welt ist inzwischen enger geworden. Die sozialen und kulturellen Möglichkeiten sorgenfreier, unproblematischer, auch unüberlegter beschleunigter räumlicher Veränderung sind eingeschränkter. Die damit verbundenen Orte und Bauwerke aber sind uns noch erhalten. Sie stehen still.
Der Begriff der Infrastruktur stammt aus der Sprache der Bahningenieure und bezeichnete ursprünglich den Unterbau, das nicht-rollende Material der Eisenbahnen. Wie Dirk van Laak schreibt,[1] erzeugte erst der Sprachgebrauch im politisch-militärischen Kontext der NATO in den 1950er Jahren jene umfassendere Bedeutung, die wir dem Begriff heute zuschreiben. Infrastruktur bezeichnete damals die Logistik der Überwachung und Kontrolle, die zur Beherrschung eines Territoriums notwendig ist, um Truppenbewegungen sicherzustellen. Einer Logik der Eskalation folgend, löste dieses Konzept vorhandene Topographien in Netzwerke von Knoten, Kontroll- und Relaisstationen auf.
Bei unserer heutigen Verwendung des Begriffs handelt es sich also um den »Missbrauch von Heeresgerät«, um mit Friedrich Kittler zu sprechen. Denn Infrastrukturen dienen in grundsätzlicher Art und Weise der Versorgung. Als Daseinsfürsorge bezeichnen sie zentrale Aufgaben des modernen Staatswesens: Versorgung mit Post, Telefon und Internet, Elektrizität, Gas und Fernwärme, Müllentsorgung, Krankenversorgung und Schulunterricht, Radio, Fernsehen und Wetterbericht. Sie erschließen und verbinden noch den letzten Winkel des Landes, unser modernes Leben baut ganz selbstverständlich darauf auf – und erst wenn die Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann, fällt uns auf, wie abhängig wir geworden sind.
Infrastrukturen dienen dazu, dass alles im Fluss bleibt. Wer in Verkehrsinfrastrukturen denkt, sieht auch Architektur und Stadt primär als fließenden Straßenraum. Aber als materielle Objekte haben Infrastrukturen eine eigene physische Präsenz und Geschichte. Diesem baulichen Erbe des 20. Jahrhunderts widmen sich die Beiträge dieses Heftes.
[1] van Laak, Dirk: »Der Begriff ›Infrastruktur‹ und was er vor seiner Erfindung besagte«. In: Scholtz, Gunter (Hg.), Archiv für Begriffsgeschichte. Bonn 1999, S. 280–299.
Heft
halten, Beiträge zum neueren Bauerbe
Stillgestanden!
Ausgabe 01/2022
Hrsg.: Prof. Dr. Andreas Putz
TUM, Professur für Neuere Baudenkmalpflege
Verlag: Geymüller
ISBN: 978-3-943164-60-2
Heftvorstellung mit Gästen
03.05.2023, 18h
Buchhandlung Werner
Theresienstraße 66, 80333 München
Die Ausgaben sind ab dem 03.05.2023 über den Online-Shop des Verlags und den Buchhandel erhältlich. Der Kauf von Heften am Lehrstuhl ist ausschließlich für Studierende der TUM möglich.