Capri. Architekturstrategien einer kaiserlichen Residenz
Die Insel Capri gehört zu den größten Herrscherresidenzen der antiken Welt. Unter den Kaisern Augustus (31 v. Chr. – 14 n. Chr.) und Tiberius (14 – 37 n. Chr.) wurde die Insel am Golf von Neapel zu einer luxuriösen Palastanlage ausgebaut, die eine Vielzahl von Villen und Pavillons umfaßte, verteilt über einen spektakulären, von starken Gegensätzen geprägten Naturraum. Weitläufige Repräsentationsgebäude ebenso wie einsame, aber äußerst luxuriöse Rückzugsorte bestimmten den Charakter dieser kaiserlichen Residenz, die unter Tiberius für ein Jahrzehnt zum Machtzentrum des römischen Imperiums wurde. Während Capri seit dem neunzehnten Jahrhundert zu den berühmtesten archäologischen Stätten des Mittelmeerraums gehört, hinkt die wissenschaftliche Dokumentation und Interpretation der historischen Bedeutung des Ortes weit hinterher. Das Projekt setzt sich zum Ziel, zum ersten Mal eine archäologisch-bauhistorisch umfassende Aufnahme der vielfältigen Fundplätze der Insel vorzulegen. Sukzessive werden Gebäudekomplexe nach aktuellen Dokumentationsmethoden erfasst, chronologisch und funktional analysiert und im Rahmen des architektonischen, ästhetischen und historischen Kontexts der zeitgenössischen Villenkultur der senatorischen Aristokratie Roms interpretiert.
Ein luxuriöser Ruheraum zwischen Felsen und Meer: Die Grotta della Matermania
Die Kaiser nutzten viele der zahlreichen, natürlichen Grotten der Insel. Dabei wurden die geologischen Gegebenheiten auf raffinierte Weise modifiziert, um individuelle Architekturen in die Natur einzubetten. Ein extremes Beispiel für diese natürlichen Rückzugsräume bietet die sogenannte Grotta della Matermania im Westen Capris. Zwar bilden Speisesäle in natürlichen oder künstlichen Grotten einen durchaus häufigen Bestandteil großer senatorischer Villenkomplexe. Die Grotta della Matermania aber unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von allen bekannten Beispielen: Die Grotte liegt nicht nur an einer dramatischen, fast unzugänglichen Stelle – mitten in einem Steilhang, umgeben von Felswänden. Sie ist auch Kilometer vom nächsten, größeren Gebäudekomplex entfernt. Die kaiserlichen Architekten transformierten die Grotte, indem sie ein großes, separates Tonnengewölbe aus Gussmauerwerk in den natürlichen Höhlenraum einstellten und damit einen riesigen Saal konstruierten. Im hinteren Bereich schufen sie eine apsidale Stufenanlage, darüber sah der Besucher auf die Höhlenwände, die sich wie eine natürliche Kuppel bis einen Höhe von 16 Metern erhoben.
Projektpartner:
Prof. Dr. Andreas Grüner (Institut für Klassische Archäologie der FAU Erlangen-Nürnberg)
Dipl.-Ing. Tobias Busen (Lehrstuhl für Baugeschichte, Historische Bauforschung und Denkmalpflege der TU München)
Zuständige Denkmalbehörde vor Ort:
Dr. Tommasina Budetta (Soprintendenza Archeologia Belle Arti e Paesaggio per l’area metropolitana di Napoli – Ufficio archeologico della Penisola Sorrentina)
Förderung:
Anschubfinanzierung durch das Bayerische Hochschulförderprogramm zur Anbahnung internationaler Forschungskooperationen (BayIntAn)
Kampagne 2016
Ziel der Arbeiten 2016 war es, die antiken Baureste sowie die Grotta della Matermania selbst, von der bislang weder maßstabsgerechte Pläne noch eine hinreichende Baubeschreibung existieren, zum ersten Mal bauhistorisch und archäologisch umfassend zu dokumentieren. Dabei wurden mit Hilfe eines tachymetrischen Aufmaßes und Photogrammetrie neben einem Grundriss mit ausreichendem Umgriff Längs- und Querschnitte sowie die entsprechenden Ansichten erstellt. Diese bilden zusammen mit der Untersuchung und Dokumentation der bauhistorisch relevanten Details die Grundlage für die anschließende Auswertung.
Teilnehmer Kampagne 2016:
A. Grüner (FAU Erlangen-Nürnberg); T. Busen (TU München); Julian Schreyer (FAU Erlangen-Nürnberg); Kilian Wolf (TU München)