Was unterscheidet den Holzbau in der Schweiz und in Deutschland? Alexander Leib im circularWOOD-Interview
19.10.2021
Holz kennt keine Grenzen – sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz ist Holz ein Baustoff mit hohem ökologischem und wirtschaftlichem Potenzial. Allerdings gibt es diesseits und jenseits der Grenze ein paar grundlegende Unterschiede. Verantwortlich dafür sind die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen, die den konstruktiven Einsatz von Holz im Bauwesen regeln.
Alexander Leib von «Die Holzbauingenieure» kennt beide Seiten: aus der Ausbildung an der BFH in Biel und der Tätigkeit im Büro Makiol Wiederkehr in der Zentralschweiz einerseits und aus dem eigenen Büro im Schwarzwald andererseits.
Das circularWOOD Team unterstützt er in der Frage, welche Auswirkungen diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf die verschiedenen Konstruktionen im Holzbau haben. Insbesondere Deckenkonstruktionen sind davon betroffen. In Deutschland muss der Einsatz eines Produktes normativ geregelt sein. Für alle nicht geregelten Bauprodukte oder Bauarten ist gemäss den Landesbauordnungen ein vorgeschriebener Verwendbarkeitsnachweis z.B. eine Allgemein bauaufsichtliche Zulassung (AbZ), eine europäisch technische Zulassung (ETA) oder eine Zustimmung im Einzelfall vorgeschrieben. In Deutschland müssen zum Beispiel für das «Kleben von tragenden Holzbauteilen» Eignungsnachweise erbracht werden («Leimgenehmigung»). Die Nachweisführung der projektspezifischen Aufbauten in den jeweiligen Fachgebieten betreffend Tragfähigkeit, Schall- und Brandschutz ist in beiden Ländern grundsätzlich gleich. Im Brandschutz gewährleisten in der Schweiz die Qualitätssicherungsstufen (QSS), dass je nach Gebäudenutzung und Gebäudehöhenkategorie (in Deutschland Gebäudeklasse) nur entsprechend qualifizierte Personen die Verantwortlichkeiten für die Erstellung des Brandschutznachweises übernehmen dürfen. In Deutschland gelten je nach Sonderbauvorschriften und Bundesland verschiedene Anforderungen und Konstellationen; so gibt es zum Beispiel in Bayern einen separaten Prüfsachverständigen für das Fachgebiet Brandschutz. Das betrifft nicht nur das Bauen mit Holz, sondern das Bauen mit allen Baustoffen und Materialien.In der Praxis werden die Unterschiede insbesondere bei den verwendeten Deckenkonstruktionen sichtbar. Erste Umfragen des circularWOOD weisen darauf hin, dass in Deutschland insbesondere im Wohnungsbau vorwiegend Brettsperrholzdecken oder Systemdecken grosser Hersteller zum Einsatz kommen. Brettschichtholzdecken werden eher bei kleineren Bauvorhaben eingesetzt. Zusätzlich zu den in Deutschland verwendeten Systemen kommen in der Schweiz auch Hohlkasten- und Rippendecken zum Einsatz. Die Wertschöpfung für die Herstellung dieser Systeme liegt dabei bei den Holzbauunternehmen.
Für die Arbeit in circularWOOD sind diese Fragestellungen von Bedeutung. Im nächsten Schritt wird das Rückbau- und Recyclingpotenzial unterschiedlicher Konstruktionen aus der derzeitigen Praxis analysiert. Ziel ist es, Strategien zu identifizieren, wie dies zukünftig verbessert werden kann um abseits ambitionierter Pilotprojekte die breite Umsetzung zirkulärer Bauweisen vorzubereiten und zu unterstützen.