HochhausBestand.
Best Practice im Umgang mit Bürohochhäusern der 1950er/1960er Jahre
Bürohochhäuser der Nachkriegsjahrzehnte sind seit einigen Jahren verstärkt Gegenstand von Ertüchtigung, Umbau und Erneuerung. Das Bewusstsein für die baukulturelle Relevanz dieser Objekte steigt, auch dank einer zunehmenden Zahl architekturhistorischer Arbeiten, zunehmend werden diese Objekte als Baudenkmäler unter Schutz gestellt, ohne das bisher grundsätzliche Fragen einer bestandsgerechten Erhaltung geklärt sind. Oftmals steht aus denkmalpflegerischer Sicht weiter einzig die äußere Erscheinung der Fassade im Vordergrund. Eine solche Betrachtungsweise aber lässt unberücksichtigt, dass es sich bei diesen Objekten um komplexe gebäudetechnische und bauphysikalische Systeme handelt – die Fassadenkonstruktionen eng an Fragen der Steuerung und Regulierung von Gebäudeklima, Nutzungskomfort und Energieverbrauch gebunden sind. Eine Best Practice der Denkmalpflege betrifft damit nicht nur die Bewertung und den möglichsten Erhalt von materieller Substanz und formaler Gestaltung, sondern auch den bestandsgerechten und möglichst minimal invasiven Eingriff in energetische und bauphysikalische Zusammenhänge. Bisher aber erfolgten Betrachtungen hinsichtlich nachhaltiger und robuster gebäudetechnischer Systeme in Bürogebäuden außerhalb und oft entgegen denkmalpflegerischer Erwägungen. Dabei kann eine gesamtheitliche, denkmalpflegerische Herangehensweise an die Erhaltung dieser Objekte das Potential bergen, Prototypen kreativer energetischer Erneuerungs- und Instandhaltungsstrategien zu entwickeln.
Obwohl seit den frühen 1990er Jahren Gegenstand des denkmalpflegerischen wie planerischen Diskurses, hat sich bis heute keine einheitliche baudenkmalpflegerische Best Practice im Umgang mit Bürohochhäusern der 1950/1960er Jahre in Deutschland herausgestellt. Gleichartige Objekte werden – mit und ohne Unterschutzstellung – abgerissen oder aber mit hohem Austausch materieller Substanz erneuert.
Einzelne Beispiele verweisen aber auf Vorgehensweisen, die die historische und technologische Integrität des Bestands durch minimierte Eingriffs- und Veränderungstiefe bewahren können. In der Abwägung verschiedener
Schutz- und Erhaltungsziele (Umweltschutz, energetische Nachhaltigkeit, Baukultur, Denkmalschutz) sind Kompromisse notwendig, die sich an der verfügbaren Best Practice im Umgang mit diesem besonderen Bestand messen lassen müssen. Dabei geht das Vorhaben von der These aus, dass eine langfristige nachhaltige und denkmalpflegerische Erhaltung durch bewusste Instandhaltung und kontinuierliche bauliche Erneuerung des Gesamtbauwerks durch minimierte Eingriffs- und Veränderungstiefe gewährleistet werden kann, ohne dass andere und neue Anforderungen an den Bestand und seine Nutzung unberücksichtigt bleiben müssen.
Das angestrebte Forschungsvorhaben setzt sich zum Ziel, auf Grundlage einer vergleichenden Untersuchung von Erhaltungsvorhaben der letzten Jahre den aktuellen Stand im Umgang mit hochwertigen Bürohochhäusern
aufzuzeigen und Handlungsspielräume abzuleiten. Dabei sollen erstmals in einem gesamtheitlichen Ansatz städtebauliche und baudenkmalpflegerische, baukonstruktive und materielle, bauphysikalische und gebäudetechnische Herausforderungen und nutzerseitige Anforderungen und Standards/Baunormen gemeinsam betrachtet werden.
Aus diesem gesamtheitlichen Ansatz heraus widmet sich das Vorhaben in fünf disziplinären Perspektiven einer gemeinsamen, konzisen Auswahl von Fallstudien des Umgangs mit Bürohochhäusern in den letzten Jahren. Diese
Auswahl an Prototypen, Technotypen und Archetypen wird im Zuge der Projektvorbereitung zu Beginn mit Blick auf das breitere Forschungsfeld und Vergleichsprojekte (internationale Entwicklung, Erhaltungs- vs. Abrissvorhaben)
festgelegt.
Die Perspektiven behandeln die Schwerpunkte (1) Stadtforschung und Denkmalpflege, (2) Struktur und Nutzung, (3) Konstruktion und Materialität, (4) Klima und Akustik sowie (5) Energie und Komfort. Die vergleichende, koordinierte
Analyse der Umbauvorhaben und deren Resultate erfolgt anhand zeitgenössischer Plandokumente und Gutachten sowie von Bauuntersuchungen, bauphysikalischer Messungen, Interviews sowie gebäudetechnischen Simulationen und konstruktiven Detaildarstellungen verschiedener Bauzustände. Insgesamt 3-4 gemeinsame Kolloquien mit den beteiligten Planern, Bauherren und Behörden der untersuchten Objekte vertiefen die einzelnen Studien. Die Ergebnisse der Analysen werden jeweils aus Sicht der verschiedenen Perspektiven ausgewertet, in gemeinsamen Workshops besprochen und abschließend in Hinblick auf die Bewertung einer Best Practice im Sinne von Handlungsempfehlungen zusammengefasst.