Einfach Sanieren
Entwicklung unterschiedlicher Sanierungsstrategien zum Erreichen der CO2-Neutralität der GGH Gebäude im Pfaffengrund, Heidelberg
Die große Herausforderung der kommenden Jahrzehnte besteht darin, den Gebäudebestand nachhaltig zu transformieren, insbesondere durch die Dekarbonisierung. Die jahrelange Etablierung von Komplexität im Baubereich, zusammen mit vermeintlichen Komfortstandards, hat dazu geführt, dass viele Gebäude weder die gewünschte energetische Effizienz erreichen noch die Zufriedenheit der Nutzer gewährleisten. Ein sogenannter "Rebound Effekt" wurde in einer dänischen Studie der Universität Aalborg nachgewiesen, in der Energiebedarfswerte mit den tatsächlichen Energieverbrauchswerten von über 130.000 Einfamilienhäusern unterschiedlicher energetischer Standards verglichen wurden. Das Forschungsprojekt "Einfach Bauen" der TU München zeigt Ansätze, wie man diesem Effekt beim Neubau entgegenwirken kann. Dies wurde anhand von drei Forschungshäusern der B&O Gruppe in Bad Aibling (Florian Nagler Architekten) demonstriert. Die Forschungshäuser verdeutlichen, welche positiven Effekte Experimentierräume und Reallabore haben können.
Aber wie lassen sich diese Ansätze auf den Gebäudebestand übertragen? Das politische Ziel den Bestand nach dem Effizienzhausstandard 55 zu sanieren (50 % bis 2030) ist aus unterschiedlichsten Gründen keine adäquate Antwort auf die Herausforderung. Der häufig gemessene Performance Gap stellt die „Efficiency First“ Strategie der Bundesregierung in Frage. Darüber hinaus werden weder ein „Prebound Effekt“– die Tatsache, dass Bestandsgebäude häufig weniger Energie brauchen als prognostiziert wird – noch der Einsatz an sog. «grauer Energie» (CO2 Emissionen, die aus den Baumaßnahmen resultieren) in der Bilanz berücksichtigt. Energetische Vollsanierungen sind kostenintensiv und resultieren in hohen Kaltmietpreisen, was sie unattraktiv für Mieter und Vermieter machen. Unter Berücksichtigung der grauen Emissionen und Pre- als auch Rebound ist die erzielbare Einsparung einer Effizienzhaus 55 Sanierung deutlich geringer als zunächst angenommen. Die Einsparungen im Vergleich zu einer minimalinvasiven Sanierung sind ggf. nur noch sehr gering. Man kann die Hypothese aufstellen, dass einfachere Sanierungsstrategien effektiver und günstiger sind und zu einer Beschleunigung der energetischen Bestandssanierung führen würden. Diese einfacheren Ansätze für eine nachhaltige Transformation des Bestands müssen zwingend in Experimentierräumen erprobt und nachgewiesen werden.
Dafür werden unterschiedliche Sanierungsmaßnahmen an 13 baugleichen Zeilenhäuser der GGH in der Pfaffengrund Siedlung in Heidelberg umgesetzt und miteinander verglichen. Als Referenzvariante dient eine Vollsanierung nach EH 55 Standard. Zeilenbauten der 50er und 60er Jahre sind weit verbreitet und in nahezu jeder Stadt Deutschlands anzufinden. Ein Schwerpunkt des Forschungsprojektes ist das Monitoring der Energiebedarfe? im Gebäudebetrieb vor und nach der Sanierung, so dass daraus Tendenzen zum Nutzerverhalten (Rebound Effekt) und Performance Gap abgeleitet werden können. Die Grundlagen der einzelnen Sanierungsvarianten werden im ersten Halbjahr 2024 erarbeitet, so dass im Sommer 2024 die bauliche Umsetzung erfolgt und im Winter 24/25 bereits das Monitoring durchgeführt werden kann. Die GGH verantwortet die Planung, Ausschreibung, Bauleitung und Umsetzung der Gebäude (nicht Teil des Forschungsprojekts). Desweiteren bietet eine Aufstockung das Potential der Wohnraumerweiterung, wobei die energetische Sanierung zum Bei-Produkt wird.
Das Forschungsprojekt bringt wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf eine weit verbreitete Gebäudetypologie. Darüber hinaus ist jedoch das Ziel des Projektes die Ergebnisse soweit möglich allgemeingültig herauszuarbeiten und auszuformulieren.