Die farbige Fassung von Skulpturen und Altarretabeln des Barock und Rokoko
Ziel des Projektes ist die Erforschung von Fasstechniken des Barock und Rokoko, d.h. des ursprünglichen Aussehens von Skulpturen und Altarretabeln aus Holz des 17. und 18. Jahrhunderts. "Fassung" ist der fachtechnische Ausdruck für die farbige oder auch monochrome Gestaltung der Oberflächen von Kunstwerken. Die Künstler, welche die Oberfläche der Kunstwerke farbig gestalteten und damit für das endgültige Aussehen der von Bildschnitzern geschaffenen Skulpturen oder von Kistlern errichteten Altararchitekturen verantwortlich waren, sind in der Regel Maler gewesen, die auch Wand-, Leinwand- und Tafelgemälde ausgeführt haben und häufig besser als die Bildschnitzer honoriert worden sind. Die Technik der farbigen Fassungen war zum Teil aus den Erfahrungen des Malschichtaufbaus von Gemälden gespeist und entsprechend anspruchsvoll und komplex. Dieses noch wenig erforschte Gebiet soll durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von Restauratoren, Naturwissenschaftlern und Kunsthistorikern besser erschlossen werden. Da sich die Forschungsarbeiten im Rahmen eines vorhergehenden, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Projektes vornehmlich mit blauen Lüstern befassten, konzentrieren sich die aktuellen Forschungen nun auf rote und grüne Lüsterungen, Goldlacke und farblose Überzüge auf Metall.
Um für die Kunstgeschichte und Restaurierung zu verlässlichen Ergebnissen zu kommen, werden methodisch drei Wege beschritten:
- Technologische Untersuchung ursprünglicher, zeitlich gesicherter Fassungen: der verwendeten Materialien, der Materialgefüge und des technischen Schichtenaufbaus.
- Vergleich der Untersuchungsergebnisse mit den Materialangaben und Rezepturen zu Werkstoffen und Techniken der Fassmalerei in den Quellenschriften des 17. und 18. Jahrhunderts.
- Rekonstruktion bestimmter Fasstechniken. Diese praktische Umsetzung der Analyseergebnisse und Quellenangaben dient der Erprobung der Praktikabilität der Ausführung, die in den Quellen kaum beschrieben wird, und hilft eine Vorstellung von der ursprünglich intendierten Wirkung einer Fassung zu erhalten.
Die Untersuchung von Querschliffen unter dem Mikroskop gibt Aufschluss über die Techniken der mehrschichtigen Fassungssysteme. Die verwendeten Materialien (Pigmente, Füllstoffe, Farbstoffe, Bindemittel ), die oft als komplexe Verbindungen oder Mischungen vorliegen, werden durch folgende naturwissenschaftliche Untersuchungsmethoden identifiziert: Lichtmikroskopie, Polarisationsmikroskopie (PLM), Röntgenbeugung (XRD), Rasterelektronenmikroskopie in Kombination mit der energie-dispersiven und wellenlängen-dispersiven Röntgenmikroanalyse (REM/EDX / REM/WDX), direct temperature-resolved mass spectrometry (DTMS), Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC), single-point transmission und reflection-absorption spot analysis FTIR, specular reflection imaging FTIR, time-of-flight secondary ion mass spectrometry (Tof-SIMS) und die Anwendung von Fluoreszenzfarbstoffen für die Charakterisierung von Bindemitteln innerhalb einer Schichtenstruktur. Mithilfe dieser Analysemethoden können auch dünnste Schichten erkannt und interpretiert werden.
Die mit diesen Untersuchungsmethoden angestrebte detaillierte Kenntnis der historischen Fasstechniken dient der sach- und objektgerechten Restaurierung der Kunstwerke. Sie dient vornehmlich aber auch der richtigen Einschätzung der ursprünglichen Wirkung der Kunstwerke, die heute zumeist nur in einem veränderten, gealterten Zustand überliefert sind, welcher der ursprünglichen Erscheinungsweise oft nur mehr in sehr entferntem Maße entspricht.
Zusammensetzung der Arbeitsgruppe
Prof. Dipl.-Restaurator Erwin Emmerling, Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Technische Universität München
Dr. Michael Kühlenthal, Hauptkonservator i.R., ehem. Leiter der Abteilung Restaurierung, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: Projektleitung
Dipl.-Restaurator Mark Richter, wissenschaftlicher Mitarbeiter, Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Technische Universität München
Akad. Oberrat Dr. Günter Grundmann, Lehrstuhl für allgemeine, angewandte und Ingenieur-Geologie, Technische Universität München
Dipl.-Restauratorin Cristina Thieme, wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Technische Universität München
Beteiligte Wissenschaftler:
Dipl. Mineraloge Klaus Rapp, analytical consultant, München
Dr. Doris Oltrogge, Kunsthistorikerin, Fachhochschule Köln, Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft
Kooperationspartner:
Prof. Dr. Jaap J. Boon, Jerre van der Horst, Molecular Paintings Research Group, FOM Institute for Atomic and Molecular Physics [AMOLF], Amsterdam, The Netherlands
Prof. Dipl.-Restaurator Stephan Schäfer, Faculdade de Ciências e Tecnologia,
Departamento de Conservação & Restauro, Universidade Nova de Lisboa, Portugal
Dr. Maarten van Bommel, Research department, Instituut Collectie Nederland, Amsterdam, The Netherlands
Dr. Caroline Tokarski, Universite´ des Sciences et Technologies de Lille 1, Villeneuve d'Ascq Cedex, France
Durchführung: Lehrstuhl für Restaurierung, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, Technische Universität München
Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (Kennedyallee 40, 53175 Bonn), GZ: EM87/2-2
http://www.dfg.de/
Laufzeit: 2005 - 2009
weitere Informationen: http://gepris.dfg.de/gepris/OCTOPUS/;jsessionid=FF2BF2991610C157D29847292F997AB9;jsessionid=085B813A565522F386816BE1DD7DF393?module=gepris&task=showDetail&context=projekt&id=5440237