Transfer 3.0
freie Masterthesis (WS20)
Verfasserin: Lea Ramona Reiter
Die ehemalige US-amerikanische Siedlung am Perlacher Forst ist Teil des baukulturellen Erbes der Münchner Nachkriegszeit. Die „Family housing area“ wurde ab 1953 zur Unterbringung der US-Streitkräfte in unmittelbarer Nähe der McGraw-Kaserne im Stadtteil Obergiesing-Fasangarten geplant. Mit den „Amis“ erfolgte ein Transfer der US-militärischen Wohn- und Baukultur in den Kontext des Stadtteils. Mit der Übergabe an Deutschland 1992 fand in der Siedlung durch die Anpassung an deutsche Wohnverhältnisse eine weitere Phase des Transfers statt. Vor dem Hintergrund des Münchner Wachstumsbooms stellt sich aktuell die Frage, wie die Zukunft der Siedlung aussehen soll. Mit dieser Thematik beschäftigt sich die Masterthesis „Transfer 3.0. Geschichte, Bestand und qualifizierte Weiterentwicklung der Siedlung am Perlacher Forst“ im Wintersemester 19/20 an der TU München, Lehrstuhl für Urban Design.Nach dem Zweiten Weltkrieg prägten die amerikanischen Streitkräfte die Stadtteile Giesings, in denen sie arbeiteten und mit ihren Familien wohnten. Ab 1950 wurden eigene amerikanische Wohnsiedlungen errichtet, um dem Wohnraummangel in der Stadt zu begegnen. Dabei wurde die flächenmäßig größte Siedlung von ca. 100 ha im Perlacher Forst, am südöstlichen Stadtrand, gebaut. Dort entstand ein „Little America“ mit über 1300 Wohneinheiten und umfassender Infrastruktur, die den Gewohnheiten der Bewohnenden entsprach. Eine typisch amerikanische Siedlung war sie deswegen aber nicht. Denn obwohl der Alltag vom „American way of life“ geprägt war, entstand sie durch einen Transferprozess und weist bis heute Prinzipien und Elemente auf, die ihren Ursprung im Zivil-Amerikanischen, US-Militärischen oder Deutschen haben. Nach dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte ging die Siedlung in Bundeseigentum über, wurde modernisiert und an deutsche Verhältnisse angepasst. In letzter Zeit häufen sich einzelne Bauprojekte von verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, die Veränderungen in der Bebauungs- und Freiraumstruktur herbeigeführt haben. Die Meinungen, wie die Siedlung weiterentwickelt werden soll, gehen stark auseinander. Andere Beispiele ehemaliger amerikanischer Siedlungen zeigen eine breite Handlungspalette, mit äußert diversen Auswirkungen. Ohne eine starke räumliche und inhaltliche Vision ist der einzigartige Charakter und die besondere Qualität der Siedlung in Gefahr. Das Ziel der Arbeit ist deswegen, aufbauend auf einer Analyse der Geschichte und des heutigen Bestandes, ein Entwicklungskonzept zu erstellen, das die veränderten Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen Bewohnenden berücksichtigt, eine sozialverträgliche, aus der vorhandenen Struktur entwickelte Nachverdichtung ermöglicht und die offenen, parkartigen Freiräume der Siedlung stärkt. Nachdem die Siedlung in der Vergangenheit bereits zwei Transferprozesse durchlebt hat, wird es nun Zeit für einen dritten Transfer, der im Zuge einer qualifizierten Weiterentwicklung entsteht. Diese setzt einen verantwortungsbewussten Umgang mit dem Bestand, die Weiterentwicklung des heutigen Charakters unter Stärkung der Qualität, die Ermöglichung des notwendigen Wandels und den Ausbau der vorhandenen Potentiale voraus. Das Konzept zeigt, wie es gelingen kann, die Siedlung in Hinblick auf Nachverdichtung und Sanierung, Mobilität, sowie Frei- und Naturräume zu verbessern, sodass sie zu einem visionären Modellprojekt für ein grünes Wald-Stadt-Quartier in Zeiten von Klimawandel und Stadtwachstum wird.