Zelt 0 / Stimulationsort
Regelthesis (WS21)
Verfasser: Milan Wagner
Die bestehende Ordnung der Theresienwiese stellt Jahr für Jahr ein Überbleibsel des Oktoberfests dar. Das Szenario Zelt 0 versteht die Felderanordnung des Ortes als entwurflichen Ausgangspunkt und verbindet in seiner Überlagerung mit eben dieser alte sowie neue stadträumliche Bezüge miteinander. Mit der Einführung einer weitmaschigen Gewebestruktur, die sich an einem neuen Raster orientiert und doch beide Richtungen räumlich zu verweben versucht, wird die Theresienwiese komplementär zu ihrem jetzigen Status quo neu gegliedert, hierarchisiert und auf verschiedenen (Höhen-)Ebenen erfahrbar gemacht. Dabei besetzen miteinander verbundene architektonische Strukturen — sogenannte Akteure — die Topographie, die Felderränder sowie den Baumgürtel und stimulieren das gesamte Areal punktuell und situationsspezifisch neu. Jene Akteure stehen in einem zusammenhängenden Netz in resonanter Beziehung zueinander, verknüpfen bedeutsame Anlaufpunkte mit dem Stadtgefüge und bringen aus verschieden hohen Blickwinkeln die Weite der Theresienwiese zum Vorschein. Als flexible, vielseitig programmierbare Struktur gedacht organisiert der Entwurf diverse bestehende Veranstaltungen sowie informelle Geschehnisse vor Ort in Form einer neuen, komplexeren Raum- und Platzgestaltung neu. In einer ganzheitlichen stadträumlichen und funktionalen Umprogrammierung der Fläche wird das Oktoberfest als Teil der Struktur von Zelt 0 neu gelesen und konzipiert: Durch die Drehung der Festzelte werden diese erstmals in räumlichen Bezug zueinander gesetzt und über die architektonische Struktur in der Höhe miteinander verbunden. Die Architektur umschließt, verbindet und durchdringt die Festzelte und bildet dabei im Inneren die Galerien nach, von dessen Höhe aus das lebendige Geschehen betrachtet werden kann, während sich die Akteure als Wiesn-Stände unter das Volk mischen. Als Schwellenraum vermittelt die Struktur gleichermaßen zwischen dem lebhaften Außen und dem Innen und schafft dem Besucher eine Zwischenzone, Zeuge beider Welten zu werden. Die neue räumliche, nun städtischere Organisation der Festzelte soll die jetzige berüchtigte Saufmeile, die Wirtsbudenstraße, entlasten und den Trubel durch das Zusammenbringen von Zelten und Schaustellern auf die ganze Fläche verteilen. In dieser Form bildet das Oktoberfest Cluster von Festzelten aus, die in Zukunft neben ihrer kommerziellen Nutzung als Bierzelte zusätzlich Schauplätze für verschiedene Themenveranstaltungen wie Messen, Großaustellungen und Festivals werden können. In einer Vision, die über das (einmal im Jahr flüchtige) Wahren der Tradition des Bierkonsums hinausgeht, kann Zelt 0 in seinem Expo-Charakter einen Kulturwandel für ein neues, langlebiges und facettenreicheres Oktoberfest der Zukunft einläuten.